Wir reden viel über die Spaltung unserer Gesellschaft. Das ist nicht falsch. Aber vergessen wir darüber nicht das Verbindende in uns. Es ist manchmal bereits heilsam, einen Roman zu lesen. Es muss ja nicht gleich ein Liebesroman sein.

Kürzlich erschien das neue Buch von Florian Knöppler. Sein Roman besteht aus mehreren ineinander greifenden Geschichten. Die Lektüre hat meinen Blick auf uns Menschen neu geeicht.

Deutschland 1944. Trotz des Krieges versuchen die Menschen entlang der Nordseeküste ein glückliches Leben zu führen oder sich wieder auf zu richten. Sie schmieden Pläne, verlieben sich und unterstützen sich gegenseitig. Verbindendes Glied der Erzählungen ist der Tierarzt Dave, der als britischer Soldat mit seinem Fallschirm im Watt vor der Hallig Südfall gelandet ist. Ob die eigenwillige Hallig-Gräfin oder der zurückgezogen lebende Bauer: Überall findet er jemanden, der in ihm keinen feindlichen Soldaten, sondern einen jungen, liebenden Menschen sieht, der zurück in seine Heimat will. Er hat die Gabe, die Menschen mit seinen Fragen zu berühren und etwas in ihnen in Bewegung zu setzen. Auf diese Weise gibt er etwas zurück und lernt eine ganze Menge über sich selbst. Ein Buch über Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten.

Florian Knöppler versteht es, existentielle Themen anzusprechen, ohne darüber viele Worte zu verlieren. In seinen Geschichten bindet er die Nordseelandschaft, das Wetter und das Licht mit ein. Mensch und Natur stehen in ganz enger Verbindung. So gesehen sind seine Geschichten im besten Sinne norddeutsch.

Es gehört zu den Vorzügen des Buchhändler-Daseins, die Reifung eines Autors schreibnah verfolgen zu können. Knöpplers Geschichten werden mit jedem Buch dichter, seine Bilder lebendiger und sein Stil sicherer. Von uns hängt es ab, ob neue Autoren auf dem Buchmarkt eine Chance haben. Es würde mich sehr freuen, wenn wir hier einen Autor mit großer Zukunft vor uns haben.

Ein Buchtipp von Philipp Seehausen

(Veröffentlicht im Journal des General-Anzeigers Bonn am 14.10.2023)