Ich scheine eine Schwäche für Bücher zu haben, die mich thematisch gar nicht interessieren. Ich kann mich nicht für Baseball begeistern, aber Chad Harbachs „Die Kunst des Feldspiels“ fand ich großartig. Auch mein Interesse für Boxen ist minimal, doch der Verlagsvertreterin sei Dank begann ich neulich Takis Würgers Debüt „Der Club“ zu lesen und habe es erst mit dem letzten Buchstaben weglegen können. Dieses Buch ist vom ersten Satz bis ins 
Lesebändchen ein meisterhaftes Buch!

Der zurückhaltende Hans wächst in einfachen Verhältnissen auf. Kurz hintereinander verliert er beide Eltern und ist früh auf sich allein gestellt. Nach dem Abitur taucht aus dem Nichts seine Tante auf, die ihn in die Universität Cambridge einschleust. Ihre Bedingung: Er muss ein Verbrechen aufklären. Aber sie sagt ihm nicht welches. Er weiß nur, dass es innerhalb einer der elitären Studentenvereinigungen, dem Pitt Club, verübt wurde. Dank seines Boxtalents gelangt er in den exklusivsten Zirkel des Clubs und bringt tatsächlich grauenhafte Details eines verbrecherischen Rituals in Erfahrung. Die Spur reicht bis in die höchsten Kreise der britischen Elite.

Takis Würger hat selbst in Cambridge studiert und ist Mitglied im Pitt Club. In seiner Biographie steht „Verbrechen hat er keine begangen“, aber selbst wenn das beschriebene Verbrechen frei erfunden ist, so ist die Existenz solcher elitären Parallelstrukturen, die von der Universität bis weit in die Politik reichen, erschreckend genug.
Das Buch wurde prominent von Dennis Scheck, Christine Westermann, Elke Heidenreich etc. gefeiert, und auch der GA hat dieses Buch bereits besprochen. Warum ich es dennoch erneut empfehle: Bücher müssen einen nicht immer interessieren, um begeistern zu können. Denn wenn uns das Thema vollkommen abgeht, konzentrieren wir uns mehr auf die Art, wie das Buch geschrieben ist. Würger zum Beispiel komprimiert Inhalte in einem Absatz, wofür andere Autoren ein ganzes Kapitel bräuchten. Mein heutiger Rat also: Lesen Sie Bücher, die Sie eigentlich nicht interessieren!

Tipp von Philipp Seehausen (Inhaber), Veröffentlicht im General-Anzeiger Bonn, Journal am 08.07.2017