Was der Rock 'n' Roll in der Musik, ist der Kriminalroman in der Literatur: Beide haben einen mitreißenden, aber gleichförmigen Aufbau in vielen Variationen und sind weltweit erfolgreich. Juchzend stürzt man sich als Buchhändler auf die besonderen Kriminalromane, die in ihren üblichen Mustern kleine Perlen beherbergen.

Die österreichisch-kölsche Autorin Isabella Archan hat mich schon oft durch ihre köstliche Vortragskunst überzeugt. Ihre Krimis bestechen durch einen besonders kreativen Umgang mit dem Mord. Denn vor lauter Lokalkoloriererei verkommt das Mordmoment in vielen Krimis zum Vehikel, um einen eigentlich langweiligen Heimatroman aufzupeppen. Die Morde in zahlreichen Thrillern wiederum sind oft nur Effekthascherei mit viel Theaterblut. Langweilig!

Nicht so bei Frau Archan. In „Tote haben kein Zahnweh“ erleben wir den Mord aus der Sicht des Opfers. Die schon zu Lebzeiten mit einem seltsamen Humor ausgestattete Kölner Puddingwitwe findet ihren Mörder mit der Maske im weißen Strick so lächerlich, dass sie, noch während das Messer in ihre Kehle dringt, in glucksendes Lachen ausbricht. Ekelig? Sicher, aber irgendwie auch eine schöne Geschichte von einer Frau, der selbst im Angesicht ihres Todes das Lachen nicht vergeht. In Archans Thriller „Schere 9“ häufen sich die Morde. Ihre Sprache ist derber, die Morde sind krasser, doch auch immer mit einem gewissen Witz, oder einer unerwarteten Wendung gewürzt. Jeder einzelne Mord ist bei ihr so einzigartig, dass man ihn am liebsten als literarische Miniatur sammeln möchte.

Isabella Archan beginnt ihre Geschichten gerne mit der Formel „Stellen Sie sich vor“. Denn genau das kann Krimi sein: Ein kleines Spektakel im Kopf; Der Unterhaltung wegen oder um einen Rachegedanken zu befriedigen, bevor wir ihn zusammen mit dem imaginären Mord wieder begraben. Folgen Sie also Isabella Archan „auf eine Reise in die Welt Ihrer Vorstellungskraft“ wie sie es gerne in ihren Lesungen formuliert.

Veröffentlicht im Generalanzeiger vom 4./5. Februar 2017, Journal